
Freitag, 28.04.2023, 19:30 Uhr (Einlass ab 19:15 Uhr)
Der 5. Geburtstag des Vorlese-Cafés – Lesung in 11 Sprachen aus der Erzählung „Der Tod des Iwan Iljitsch“ von Leo N. Tolstoi (1828-1910)
Musik: aStella Trio – Margarita Cherenkova (Saxophon), Berfin Karagüzel (Cello), Bomi Hwang (Klavier)
Ort: Begegnungszentrum Meerwiese
Die interkulturelle Veranstaltungsreihe „Das Vorlese-Café“, mit der Unterstützung der Kulturinitiative Coerde durch Tanja Stermann 2018 begründet, erfreut sich mittlerweile großer Beliebtheit. Das Publikum ist diesmal eingeladen, den 5.Geburtstag mitzufeiern und darf sich auf eine einzigartige mehrsprachige Lesung aus der Erzählung „Der Tod des Iwan Iljitsch“ von Leo N. Tolstoi (1828-1910), eines der größten Schriftsteller und Intelektuellen der Weltliteratur, freuen. Die philosophischen Gedanken dieses russischen Literaten und
u.a die von ihm aufgegriffene Idee der Gewaltlosigkeit verlieren bis heute nicht an Kraft. Mahatma Gandhi, der 1910 in Transvaal, Südafrika, die Tolstoi-Siedlung gründete, bewunderte seine sozialen Ideen und Entwürfe. Beide standen kurz vor dem Tod von Tolstoi noch in brieflichem Kontakt.
Weltberühmt wurde Tolstoi mit seinen Romanen „Krieg und Frieden“ (1869) und „Anna Karenina“(1878), aber auch durch seinen Roman „Die Auferstehung“ (1899), seine Schrift „Das Reich Gottes ist in euch“ (1893) und die Erzählungen wie z.B. „Wo die Liebe ist, da ist auch Gott“, „Wie viel Erde braucht der Mensch“ (1885), „Der Tod des Iwan Iljitsch“(1886), „Die Kreutzersonate“(1889) und viele weitere in zahlreiche Sprachen übersetzte Werke. Er setzte sich mit der Religion auseinander, verfasste kritische Essays über Kunst, Staatsgewalt, soziale Themen, auch Lesebücher für Schulkinder, um sich auch so für die Bildung der breiten Bevölkerung einzusetzen.
Die Erzählung „Der Tod des Iwan Iljitsch“ wurde 1886 veröffentlicht. Der Text beginnt mit der Meldung über den Tod vom Kollegen Iwan Iljitsch, der als hoher Gerichtsbeamter tätig war und sehr früh mit 45 Jahren verstarb. Gleichzeitig beginnen die Kollegen darüber nachzudenken, wie sein Posten zukünftig besetzt wird und welche Vorteile sich für sie daraus ergeben. Wir lernen seine Familie und ihn kennen, vor allem in den letzten Tagen seines Lebens. Die Erzählung kreist u.a. um die Themen eines erfüllten Lebens und dessen Sinn und Zweck, der Nächstenliebe und der Unausweichlichkeit, wie auch der Angst vor dem eigenen Tod. Erst angesichts seiner Krankheit und des nahenden Lebensendes wird Iwan Iljitsch mit sich selbst, seiner bisherigen Lebensführung und seiner eigenen Endlichkeit und dem Tod konfrontiert.
In einem Interview aus dem Jahr 2012 sagte der bekannte Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki (1920-2013) u.a. dazu: „Tolstoi konnte die Seele, die Psyche des Menschen so genau beschreiben wie kaum ein anderer Schriftsteller. Er zeigt die Angst seines Helden Iwan Iljitsch, seine hilflose Wut, seine Ungläubigkeit als er erfährt, dass er todkrank ist. Am Schluss beschreibt er, wie in einem drei Tage andauernden Todeskampf das Leben aus Iwan Iljitsch langsam und unaufhaltsam förmlich herausgepresst wird. Ein ungeheuerliches, ein unvergleichliches Buch.“
In dieser Erzählung gelang Leo N. Tolstoi eine Synthese aus Lebensansichten und Erfahrung, sowie der Philosophie und Literatur auf eine beindruckende und jeden Lesenden berührende Weise. Zum Schluss verhalf er seinem Helden zu einer Einsicht, die ihn befreit und ihm die Todesangst nimmt.
Anlässlich der Geburtstagsfeier des Vorlese-Cafés wurde eine besondere Lesefassung dieser Erzählung erstellt, in der die meisten bisher in der Lesereihe vorgestellten Sprachen und ihre Vorleser und Vorleserinnen nochmals zu hören sind. Der Plot der Geschichte lässt sich für alle auch über die deutsche Übersetzung verfolgen.
Es lesen der Schauspieler und Sprecher Carsten Bender (Deutsch) sowie weitere Leser und Leserinnen des Vorlese-Cafés: Fatma Murad (Arabisch), Simon Beckmann (Latein), Ohkwha Chae (Koreanisch), Mehrnaz Hadipour (Persisch), Maria Cichy (Polnisch), Cristina de Sousa (Portugiesisch), Tanja Stermann (Serbisch), Gicell Arteaga (Spanisch), Loredana Lazar (Rumänisch) und Natalia Krukov (Russisch).
Die Musikerinnen des Trios aStella – Margarita Cherenkova (Saxophon), Berfin Karagüzel (Cello) und Bomi Hwang (Klavier) – führen das Publikum musikalisch durch die Lesung. Das aStella Trio ist ein in der Besetzung neues, junges und ehrgeiziges Ensemble in der Welt der Kammermusik. Im Trio ersetzt das Saxophon die Geige – der Klang des Altsaxophons verleiht der Komnbination aus Cello und Klavier einen völlig neuen Farbton. An diesem Abend spielen die Musikerinnen u.a. die Stücke von Frédéric Chopin, Camille Pépin, Hyunmin Michael Kang (Gangyu) und die von der im Trio mitwirkenden Pianistin Bomi Hwang komponierten Stücke. Eine besondere Gelegenheit, dieses einzigartige Trio zu erleben!
In der Pause zwischen zwei Teilen der Lesung bietet sich die Gelegenheit für Austausch und Gespräche. An ein Angebot an Erfrischungsgetränken ist auch gedacht.
„Lebe nicht so, dass du jederzeit in Übereinstimmung mit der Welt dein Leben fortsetzen kannst. Wenn du so lebst, hemmst du das Herannahen des Reiches der Liebe. Lebe so, dass das Herannahen dieses Reiches möglich wird. Und um so zu leben, musst du dein Leben nicht auf Gewalt, sondern auf Liebe gründen.“
(aus: Lew Tolstoi: Für alle Tage – Ein Lebensbuch, S. 203, Verlag C.H. Beck, 3. Auflage, 2011)
Die Musikerinnen werden im Rahmen des Projektes Neue Sterne für das Münsterland der Musikhochschule Münster an der Westfälischen Wilhelm-Universität durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und Beresa unterstützt.